Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Die Corona-Pandemie hat auch vor der Rollenspiel-Szene nicht Halt gemacht und so wäre der Convention-Sommer eigentlich ins Wasser gefallen. Aber nur eigentlich, denn schnell stellten Organisatoren Alternativen auf die Beine, die Online-Convention ward geboren. Die bekannteste und größte ist sicherlich die CONspiracy von Pegasus, welche wir uns angeschaut haben.

Ursprünglich stammt der Name der CONspiracy noch aus der Anfangszeit von Pegasus Mitte der 90er, als zwei Conventions in Friedberg unter diesem Namen abgehalten wurden. 2020 feierte die CONspiracy ihre Wiederbelebung als erste große Online-Convention im deutschsprachigen Raum.

Geplant war, dass sich am 10. und 11. April alle Interessierten in ungezwungener Atmosphäre auf dem Discord-Server von Pegasus-Spiele zum Spielen und Quatschen treffen können. Dazu sollte es ein umfangreiches Livestream-Programm von Orkenspalter TV geben. Jedoch war die Nachfrage nach mehr Tagen und Runden schon vor Beginn der Convention so hoch, dass Pegasus die Veranstaltung kurzerhand auf das gesamte Wochenende ausweitete. Sogar unter der Woche gab es schon vereinzelt Runden.

Der Discord-Server – Die kleinste Messehalle der Welt

Eine Frage, die sich viele in der Szene in den letzten Monaten gestellt haben dürften, war: „Tischrollenspiel online? Geht das überhaupt? Und dann auch noch auf der Größe einer Convention?“ Ein kleines, vorgezogenes Fazit: Definitiv!

Statt sich in einer großen Messehalle die Füße platt zu treten, konnte jeder nun ganz bequem von zu Hause aus das digitale Messegelände betreten. Es gab einen Eingangsbereich zum ungezwungen Quatschen, Kanäle für die größeren Verlage (neben Pegasus waren noch Uhrwerk und System Matters vertreten), eine Artists Alley für Künstler*innen und eine ganze Reihe von Spieltischen, mit der man im realen Leben wahrscheinlich mehrere Hallen hätte füllen können. Ein Knackpunkt dieses an sich problemlos funktionierenden Systems war, dass es sehr schnell sehr unübersichtlich wurde. Gerade für Runden, die gegen Ende der Convention stattfanden, musste erst mal eine ganze Weile gescrollt werden. Ein paar Laufwege im digitalen Trubel blieben den Besucher*innen also nicht erspart.

/r w100 – Runden so weit der Bildschirm reicht

Trotz der auf den ersten Blick recht anonymen Struktur eines so großen Servers stellte sich schnell ein heimeliges Gefühl ein. Morgens begleitete man einander im Textchat symbolisch auf dem Weg zur Kaffeemaschine, mittags fanden sich noch spontan Spielrunden, es wurde gefachsimpelt und abends berichtete man einander, was man den Tag über erlebt hatte.

Auf einem Trello-Board, das als „Schwarzes Brett“ der Convention diente, konnten sich die Besucher*innen unkompliziert für Runden anmelden. Neben den für Cons obligatorischen Regelerklärungen gab es zu Rundenbeginn auch kurze Technikeinführungen. Denn schließlich wurde nicht analog, sondern mit virtuellen Hilfsmitteln wie dem rollbutler gewürfelt. Fans von echten Würfeln mögen hierbei vielleicht etwas wehmütig werden, aber das Erlebnis büßte kaum an Bedienbarkeit und Spannung ein.

Während die Kommunikation immer über Discord stattfand, wurden manche Runden (gerade bei komplexeren Systemen) doch vor allem über Rollenspiel-Anwendungen wie Roll20 gespielt. Hier bedurfte es bisweilen einer etwas längeren Einführung. Passenderweise fanden aber auch Workshops zum Umgang mit Online-Tools wie Roll20 oder Astral statt, so dass sich Spieler*innen und Spielleitung schnell zurechtfanden.

Workshops, Talks und Let’s Plays – Die digitale Bühne

Wie analoge Conventions wurde auch das CONspiracy-Wochenende von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm begleitet. Namentlich handelte es sich dabei um den Livestream von Orkenspalter TV, welcher von der Mittagszeit bis in den späten Abend hinein zu unterhalten wusste. Dabei wurden unter anderem verschiedene Systeme der Verlage vorgestellt, Software wie das vorhin schon erwähnte Roll20 oder der Online-Karteneditor Dungeonfog erklärt und mitunter auch einfach nur gespielt. Außerdem statteten Lena Falkenhagen und Tom Finn der Veranstaltung mit ihrem Worldbuilding-Talk einen Besuch ab.

Während der gesamten Convention gab es verschiedene Wettbewerbe, an denen die geneigten Besucher*innen teilnehmen konnten. So gab es eine Charity-Tombola, deren Erlöse an die elinor-Kunsthilfe gingen, die damit wiederum Kulturschaffende unterstützt. Beim Community-Contest konnte man sein erinnerungswürdigstes Erlebnis auf Social Media teilen, und der Trash-Cosplay-Contest beflügelte das Improvisationstalent der Teilnehmer*innen.

Insgesamt gab es also auch abseits der zahlreichen Spielrunden der Convention viel zu entdecken und zu unternehmen.

Fazit

Alles in allem war die CONspiracy ein großer Erfolg. Im Mai fand eine Fortsetzung statt und im Juli ging man in die dritte Runde. Der November soll uns schließlich die vierte Inkarnation bieten. Viele andere, mitunter auch kleinere Conventions haben mittlerweile nachgezogen und bescheren uns so eine regelrechte Convention-Flut. Trotz des anfangs vielleicht etwas ungewohnten Gefühls, ein gesamtes Con-Wochenende vor dem heimischen Rechner zu verbringen, lernte man schnell neue Leute kennen und hatte gemeinsam viel Spaß. Was vielleicht noch viel wichtiger ist: Es wurde eine dauerhafte Plattform für Neulinge und alte Hasen gleichermaßen geschaffen, und das in einer Größenordnung, die es bisher höchstens auf Foren-Servern wie der Drachenzwinge gab.

Es bleibt zu hoffen, dass uns Online-Conventions auch über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus erhalten bleiben werden. Aber alle, die gerne wieder ein bisschen Convention-Feeling haben möchten, sollten die Gelegenheit am besten schon jetzt wahrnehmen.

Artikelbilder: © Pegasus Spiele
Layout und Satz: Annika Lewin
Lektorat: Simon Burandt

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein